Anlässlich der Veranstaltungsreihe „Transparente Verwaltung“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt lud der Landesbetrieb Berlin Energie am 16. Juni 2015 alle interessierten Bürgerinnen und Bürger zur Info-Veranstaltung nach Tempelhof ein. Titel und Thema waren simpel gehalten: Was macht eigentlich… Berlin Energie? Die Informationen zur Rekommunalisierung der Berliner Netze sind dagegen umso vielschichtiger. Die große Resonanz machte deutlich, dass die Berlinerinnen und Berliner die Hintergründe der geplanten Rekommunalisierung wissen wollen: Innerhalb weniger Tage war die Veranstaltung im ehemaligen Flughafen Tempelhof restlos ausgebucht.
1:1 Übernahme aller Netzbeschäftigten
Warum will das Land Berlin die Versorgungsnetze in der Stadt in einem landeseigenen Betrieb bündeln und was haben die Verbraucher davon? Und was passiert mit den Mitarbeitern der jetzigen Energienetzbetreiber? Der Staatssekretär für Verkehr und Umwelt, Christian Gaebler, und der Geschäftsstellenleiter von Berlin Energie, Dipl.-Ing. Wolfgang Neldner, begrüßten neben Bürgern, die sich ganz privat für die Zukunft der Energieversorgung interessieren, auch eine große Zahl Beschäftigter der Berliner Netzbetreiber. Sie machten keinen Hehl daraus, dass sie Angst um ihre Arbeitsplätze haben, wenn der Landesbetrieb die Konzessionen bei den Gas- und Stromverteilnetzen übernehmen wird. Berlin-Energie-Chef Wolfgang Neldner hatte für sie eine klare Botschaft: „Sie machen zur Zeit einen hervorragenden Job, und das soll auch so bleiben“. Alle Mitarbeiter, die sich heute um den Betrieb der Gas- und Stromnetze kümmern, sollen 1:1 übernommen werden, versprach Neldner.
Das Ziel: Vollständige Rekommunalisierung der Berliner Netze
Der ausgewiesene Energie-Experte, der früher leitende Positionen bei führenden Energieunternehmen inne hatte, klärte seine Zuhörer auch über die Zielsetzung des landeseigenen Betriebs auf: der Landesbetrieb Berlin Energie ist vom Senat damit beauftragt worden, den durch die hohe Zustimmung der Berliner Bevölkerung zum Ausdruck gebrachten Wunsch nach einer Rekommunalisierung der Gas- und Strom-verteilnetze gezielt voranzutreiben. Der Landesbetrieb unterliegt formal der Verantwortung von Staatssekretär Gaebler, der wiederum gegenüber Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel nicht weisungsgebunden ist, wenn es um die Belange des Landesbetriebes geht.
Für das Konzessionsvergabeverfahren und die Vergabeentscheidungen hingegen ist die Senatsverwaltung für Finanzen, bzw. letztendlich der Senat von Berlin und das Abgeordnetenhaus zuständig, erläuterte Berlin Energie-Chef Neldner.
Ein Berliner Netz, ein Anschluss, ein Ansprechpartner
Neldner erinnerte auch daran, wie es dazu kam, dass Berlin Energie sich seit der Aufnahme seiner Geschäftsleitertätigkeit im Mai 2013 um die auslaufenden Netzkonzessionen für Gas und Strom bewirbt: „Zum ersten Mal in der Berliner Geschichte wollen wir strategisch die Voraussetzungen schaffen, alle Versorgungsnetze, durch die schrittweise Entwicklung eines Kombinationsnetzbetriebes bzw. einer entsprechenden engen Kooperation in den Bereichen Gas, Strom, Wärme und Wasser, zusammenzuführen.“ Davon profitierten alle Verbraucher, denn diese hätten künftig nur einen Ansprechpartner, zum Beispiel nach einem Hauskauf oder einem Umzug, während alle Versorger bislang noch einzeln angeschrieben werden müssen. „Netzreparaturen und Erneuerungen können koordiniert erfolgen. Das minimiert Baumaßnahmen, Kosten und Beeinträchtigungen.“ Neldner hob auch die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung hervor.
Nachdem Berlin Energie aus dem Wettbewerbsverfahren um die Gasnetzkonzession als Sieger im Jahr 2014 hervorgegangen ist, hat der Altkonzessionär (GASAG/NBB) Klage beim Landgericht Berlin gegen diese Entscheidung eingereicht. Der Hauptantrag (Übertragung der Konzession an die GASAG) ist abgewiesen worden und nur dem Hilfsantrag wurde stattgegeben. Nach dieser erstinstanzlichen Entscheidung ist beim Kammergericht Berlin ein Berufungsverfahren anhängig.
Netze sind Teil der Daseinsvorsorge
Neldner gab sich zuversichtlich, dass der Vergabeentscheid zugunsten des Landesbetriebes Berlin Energie rechtskräftig wird. Beim Konzessionsverfahren für das Stromverteilnetz werde derzeit das weitere Verfahren durch die Vergabestelle geprüft.
Staatssekretär Gaebler wies darauf hin, dass der Senat eine deutlich stärkere Einflussnahme auf Aspekte der Daseinsvorsorge, und damit der Netze, anstrebt. Im 10 Punkte Programm des Senates von Berlin zu Energie und Infrastrukturfragen vom 5. Mai 2015 wird ausdrücklich gefordert, die Bieterfähigkeit des Landesbetriebes Berlin Energie weiter auszugestalten.
Kein Schattenbetrieb: Kleine Mannschaft, großes Netzwerk
Aus den Reihen der Zuhörer wurde kritisch die Schlagkraft des kleinen Teams von Berlin Energie hinterfragt: Geschäftsleiter Neldner stellte daraufhin seine engsten sechs Mitarbeiter aus den Bereichen Technik, Haushalt und Finanzen sowie deren Funktionen vor und machte klar: „Wir sind eine kleine Koordinierungsgruppe, die den Auftrag hat, einen Kombinationsnetzbetrieb vorzubereiten. Wir knüpfen Kontakte und arbeiten mit Berliner Stadtbetrieben wie BWB und BVG, kommunalen Stadtwerken, Energieversorgern und anderen großen Unternehmen zusammen“, erläuterte er. Ziel des Kombinationsnetzbetreibers sei es, das Land Berlin fit für die Zukunft zu machen.
Staatssekretär Gaebler hob hervor, die Berlin Energie Gruppe ist „ein Baustein der Daseinsvorsorge, auf die das Land einen größeren Einfluss haben will. Denn private Unternehmen handeln nicht immer im Interesse des Gemeinwohls. Sie wollen maximale Rendite erwirtschaften, deshalb sind wir prinzipiell an der Rekommunalisierung der Energieversorgung interessiert“, so der Staatssekretär.
Erneuerbare Energien in smarten Netzen
Auf die Frage, was Berlin für den Klimaschutz leisten könne, wies Geschäftsleiter Neldner darauf hin, dass er ganz im Sinne der Energiewende auf den Ausbau der erneuerbaren Energien setze: „Photovoltaik ist die Energie der Zukunft.“ Diese sieht er auf Dächern und Freiflächen, auf Wohn- und öffentlichen Gebäuden. Man solle daraus jedoch nicht den Schluss ziehen, dass die konventionellen Netze, wie das Gasnetz, nicht mehr gebraucht werden, warnte er. Die Nutzung der erneuerbaren Energien funktioniere nur im intelligenten und kombinierten Mix der Versorgungsnetze.
Zum Schluss noch einmal ein Plädoyer vom Landesbetrieb Berlin Energie für den Kombinationsnetzbetrieb in Zeiten der Energiewende: „Für ein Nebeneinander des Betriebs der Versorgungsnetze ist zukünftig weder Zeit noch Geld vorhanden. Wir müssen sehr schnell und sehr effizient sein. Wird Strom bevorzugt in den Mittagsstunden erzeugt, müssen Energiespeicher und Energieumwandlung, z.B. in Richtung Wärme, also Wärmenetze, oder Gas, also Gasnetze, für die verzögerte Nutzung der Energie bereit stehen“, so Wolfgang Neldner abschließend.
Eine Kurzpräsentation der Veranstaltung finden Sie hier